Das Vergehen

(“Malfeasance”)
by Elizabeth (uhmidont@yahoo.com)


Rating: PG-13
Pairing: Michael's POV
Category: UC
Disclaimer: I don't own the characters. (Die Charakteren gehören mir nicht.)
Summary: Michael POV, post-'Destiny' future fic. This is not a happy Fic. (Zukunftsgeschiche nach “Destiny”. Keine glückliche).


Übersetzung: Lina (lina61@gmx.net)
Anmerkung der Übersetzerin: Tausend Dank an Alli, die brilliante, wortgewandte Beta-Leserin, die meine Übersetzungen auf neue qualitative Ebenen bringt.





Soll ich Ihnen was gestehen?
Ich bin nicht höher, als ich erreichen kann.
John Webster, Die Herzogin von Malfi, 2.1.84-5



Was tue ich hier?

Wissen Sie, wie oft ich mich das gefragt habe? Es wurde zu einem Refrain in meinem Kopf, einem ewigen Hintergrundgeräusch, das mich verfolgt. Die Betonung liegt manchmal woanders – auf dem “ich” oder “hier” oder eben “was”, aber die Frage bleibt immer die Gleiche.

Was tue ich hier?

Ich bin in meiner Wohnung. Sie hat zwei Zimmer. Eins ist Küche/Wohnzimmer/Schlafzimmer. Das Andere das Badezimmer. Neulich überwand ich mich und kaufte einen Wäschekorb. Maria sagte, sie wird nicht mehr vorbeikommen, wenn ich weiterhin meine schmutzige Kleidung herumliegen lasse. So ging ich zum Wal-Mart. Ich gehe noch immer zum Wal-Mart. Ich dachte darüber nach, während ich an der Kasse darauf wartete, den Plastikkorb zu bezahlen, der jetzt meine schmutzigen Socken beinhaltet. Ich existiere noch immer als Bewohner einer Welt, von der ich keinen Teil haben will. Ich bin noch immer an diese Welt gefesselt, während eine andere auf mich wartet, mich will, mich braucht.

Was tue ich hier?

Ich soll der Retter einer Alien-Rasse sein. Korrektur, ich bin der Helfer des Retters der Alien-Rasse. Ich war der zweite Befehlshaber. Ich bin der Zweitplatzierte. Ich habe gelernt, den heißen Wutansturm zu ignorieren, den diese Gedanken in mir hervorrufen. Ich kann sie unterdrücken und so tun, als ob sie keine Bedeutung hätten. Mir (Grinsen) macht es nichts aus, daß ich nie der EINE sein werde. Mir (Grinsen) macht es nichts aus, daß ich immer ein Diener für andere bin. Hank, laß mich dir ein weiteres Bier bringen. Scon gut, Max, du musstest Liz alles über dich und mich und Isabel erzählen. Tess, ich werde mich darum kümmern, daß Max versteht, wie wichtig es ist.

Warum verglüht diese Wut aus den Tagen, als ich erfuhr wer und was ich bin, nicht? Warum verändern sich die Dinge nicht weiter? Warum habe ich keine Bilder-Show von meiner Mutter erhalten? Warum habe ich keine Mutter erhalten? Warum wollte Nasedo mich nicht genug, um hier zu bleiben und mir etwas von mir zu erzählen? Was tue ich hier?

Ich habe keine Ahnung.

***

Ich sagte Maria, daß es aus ist. Ich sagte ihr, daß es mit uns aus ist. Du kannst dich nicht deutlicher ausdrücken als jemandem zu sagen, daß man ihn viel zu sehr liebt, um ihn verletzen zu wollen, nicht wahr? Man kann sich nicht deutlicher ausdrücken, als sich umzudrehen und wegzugehen, sich allen geheimen Hoffnungen, denen man sich erst nach ihrem Verlust bewußt wurde, verweigernd. Ich ging in die Wüste und glaubte, daß Maria nur noch in meiner Vergangenheit leben würde, daß ich über sie hinweg sei. Ich weiß nicht, was mir mehr Angst einjagte: Das, was ich getan hatte, oder daß es mir nicht so schwer fiel, wie ich dachte.

Ich erfuhr meine Bestimmung, und sie bestand aus einer Verbindung zwischen Isabel und mir, und ich denke, daß ich schon immer gewußt habe, was uns an diesem Tag gesagt wurde. Unsere Träume ängstigten sie, nicht mich. Ich wußte immer, ich bin kein Mensch. Ich war immer froh, daß ich kein Mensch bin. Es war das Einzige, woran ich mich all diese Jahre halten konnte, als ich ein Nichts war.

Aber ich kann nicht von Maria fernbleiben. Wir alle kehrten nach Roswell zurück, die Offenbarung unserer Zukunft und unserer Vergangenheit beiseite gelegt, weil... weil was? Weil wir damit nicht umgehen konnten? Ich weiß es nicht. Und warum bin ich noch immer mit Maria zusammen? Weil ich sie nicht aufgeben kann, weil ich sie liebe. Sind das alle Gründe?

Ich kehrte mit Max, Isabel und Tess nach Roswell zurück. Max und Izzy gingen heim und sprachen mit ihren „Eltern“ und taten was immer die „Familie“ Evans tut. ’Sie sind NICHT eure richtige Familie’, wollte ich Max anschreien – wie kann er das, was er bekommen hat (die Mutter, die ihn liebt, und die Welt, die ihn braucht, die für ihn verblutet), wegwerfen – für die Pizza am Freitag und Liz Parker, die ihre ’i’s mit Herzchen schmückt?

Tess warf mir einen flehenden Blick zu, aber ich brauchte keinen Mitbewohner, der genauso kaputt ist wie ich. Ich habe sie abgeschüttelt, und das tat nicht einmal weh. Sie ist Max’ Bestimmung, nicht meine. Ich ging in meine Wohnung und am nächsten Morgen ins Crash Down, weil ich einfach nicht wußte, was ich sonst tun sollte. Mr. Parker behielt einen Teil meines Geldes für zwei verpaßte Schichten, und das war's. Es war meine Bestimmung. Nicht die Bestimmung, die ich wollte, aber die eine, die ich bekam.

In diesen rund drei Tagen fanden wir heraus, daß Nasedo tatsächlich in Roswell war. Wir trafen Tess, die zwar nicht Nasedo, aber der vierte Alien war, obwohl wir immer dachten, daß es nur drei von uns gibt. Das FBI erschien in der Stadt. Max wurde entführt. Ich traf auf Nasedo und danach gingen Tess, Isabel und ich Max retten. Wir fanden heraus, daß wir eine Art Mensch/Alien-Hybrid sind. Das tat verdammt weh. Ich will mehr sein als ich bin, und Nasedos lächelnde Selbsgefälligkeit während ich versuchte etwas zu tun, was er für selbstverständlich hielt... er war nicht der Vater, den ich mir wünschte, er war wie Hank, und ich fürchte, ich bin ihr Brut, ich werde aufwachsen und letztendlich nur brennenden Tod und stechende Erniedrigung bringen, und sogar als Zweitplatzierter versagen.

Es gibt noch mehr. Valenti stellte sich als hilfsbereit heraus. Ich tötete jemanden. Diese Erkenntnis bleibt immer bei mir – meine Hände und mein Geist bringen den Tod. Hank nannte mich einmal „Mißgeburt“, und die Richtigkeit dieses Ausdrucks verfolgt mich noch immer.

Wir fanden heraus, daß wir die Erde vor anderen Alien-Rassen retten sollten, und daß da draußen ein Planet ist, voll mit Lebewesen, die von uns abhängig sind und die auf uns warten. Wir fanden heraus, daß Isabel und ich einmal zusammen waren und auch jetzt zusammen sein sollten.

Und ich brach Maria’s Herz.

Das ist eine ganze Menge, nicht wahr? Ich bilde es mir nicht ein, oder? Manchmal denke ich, ich bilde es mir doch ein, weil nach dieser außerordentlichen Offenbarung ist Folgendes geschehen:

Nichts. Nichts ist geschehen, nichts hat sich geändert. Außer mir, weil sich in meinem Inneren alles verändert hat.

***

Ich ging nach meiner Rückkehr für zwei Tage hart mit Maria um. Sie ignorierte mich, und ich ignorierte sie. Ich hatte meine Bestimmung (und ich glaube noch immer, daß da was dran ist) und sie hatte ihre Wut auf mich, und ich nahm es ihr nicht übel. Aber am dritten Tag waren wir beide im Crash Down – ich mußte den Grill putzen – sie schloß ab und sie hatte diesen Schweißtropfen auf ihrer Wange, weil... Ich weiß nicht warum. Vielleicht war es heiß, vielleicht arbeitete sie zu schwer, vielleicht weinte sie. Es ist ohne Bedeutung, weil ich zu ihr ging und diesen kleinen Tropfen ableckte. Ich mußte es tun. Er hing einfach da und brauchte etwas, brauchte mich. Und es ist schön, gebraucht zu werden.

Die Dinge wurden wieder normal zwischen uns. Wir streiten. Wir knutschen. Sie sagte mir, ich wüßte sie nicht zu schätzen, als wir zusammen auf dem Sofa in meiner Wohnung lagen. Ich glitt mit meinen Händen unter die Träger ihres BHs, ich küßte die weiche Haut in ihrem Nacken und berührte ihre Haarspitzen – sie reichen jetzt bis zur Schulter. Sie hat recht. Ich kann sie nicht so würdigen, wie ich sollte, und eines Tages wird sie merken, daß alles, was sie mir gesagt hat, der Wahrheit entspricht, und das wird das Ende der einzigen Freude sein, die ich zur Zeit habe.

Was tue ich hier?

Ich habe mir heute abend Maria’s Auto geborgt. Ich werde es später zurückbringen, ich werde es zwei Häuserblöcke von ihrem Haus entfernt parken. Ich werde zu ihr gehen, ich werde an ihr Fenster klopfen. Sie wird es öffnen, und ich werde hereinklettern, ich werde sie umarmen und sie küssen, während sie mich, noch vom Schlaf zerknittert, fragen wird, wo ich gewesen sei, und ich werde antworten „Nirgendwo“, sie wird seufzen und mich fragen, ob ich das Auto aufgetankt habe, und ich werde lügen und „Ja“ sagen.

Jetzt gerade höre ich Tanzmusik. In den letzten paar Wochen habe ich sie zu hassen gelernt, mehr als ich es jemals für möglich gehalten habe. Ich hasse ihren unablässigen Rhythmus, daß man die Schläge zählen kann. Ich hasse es, daß alle Lieder gleich klingen. Ich hasse den Geruch des Klubs, nachdem alle stundenlang zu dieser Musik getanzt haben. Ich hasse die Warteschlange am Eingang, und ich hasse das mitfühlende Lächeln des Rausschmeißers, wenn ich an ihm vorbeigehe. Er kennt und bedauert mich, und das hasse ich wirklich. Ich hasse Mitleid, ich hasse menschliches Mitleid, und manchmal, wenn ich mit Maria schlafe, fühle ich die Hitze und das Pochen meines Blutes, und ich denke, daß ich alle Menschen hasse.

Ich hasse, daß ich nichts trinken kann. Ich hasse es, dazu gezwungen zu sein, eingeklemmt in der Ecke der Bar zu sitzen und mein 6-Dollar Wasser zu schlürfen. Ich hasse die Bewegungen der Menschen auf der Tanzfläche. Ich hasse, wie ihre Körper sich beugen und kreisen. Ich hasse, wie sie alle lächeln und glücklich aussehen. Ich hasse, wie sie aussehen, wenn sie weggehen – ermüdet und ausgepreßt und befriedigt. Ich hasse ihre Zufriedenheit.

Ich hasse, wie alle sich um sie versammeln, wie alle sie bewundern. Isabel ist hier ihre Königin. Alle wollen sie. Kerle. Frauen. Sie alle. Sie tanzen um sie herum und manchmal berühren sie sie, gleiten mit der Hand über ihren Arm oder auf ihren Rücken – bitten sie, sich etwas zu bewegen, damit sie besser zur Tanzflächenmitte durchkommen. Ich hasse sie alle, weil sie sie glücklich machen, und dabei kennen sie sie nicht einmal. Sie lieben sie nicht so wie ich; sie teilen nicht das mit ihr, was ich mit ihr teile. Und trotzdem will sie sie mehr. Sie will weder mich noch das, was aus uns sein könnte und was wir gewesen sind, sie will die schwitzende Masse, die das Wichtigste über sie nicht weiß.

Einmal sagte sie mir, daß sie ihr Leben hier mochte. Sie trug eine Bluse mit tiefem Ausschnitt, und ich dachte über ihre Kleidung nach, darüber, was darunter war, und fühlte einen Drang, den ich mir damals nicht einzugestehen traute, so fragte ich sie „Warum trägst du das?“ Und sie antwortete „Weil, Michael, ich ein Date habe... mit einem Jungen... den ich mag. Eigentlich liebe ich mein Leben hier.“

Ich hörte zu. Ich hatte darauf keine vernünftige Antwort. Sie hat es schon immer gesagt, sagte mir immer, daß es ihr hier auf der Erde gefiel, und sie bestätigt es jetzt dadurch, daß sie aus Roswell flüchtet – davor, wer sie ist – sei es für eine Nacht oder bloß für ein paar Stunden.

Ich höre dich, Isabel. Ich tue es tatsächlich. Aber nur weil du die Bestimmung vergessen kannst, bedeutet das nicht, daß ich dasselbe tue.

Was tue ich hier?

Ich liebe sie. Ich werde es ihr nie sagen. Aber das ist der Grund, warum ich hier bin.

Ich will meine Bestimmung (meine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft). Und sie ist meine Bestimmung. Ich will eine Bedeutung haben. Mehr als alles andere. Aber meine Bestimmung, unsere Bestimmung, spielt keine Rolle für sie. Sie will sie nicht, sie braucht sie nicht. Und meine Liebe zu ihr ist etwas, das sie nicht sehen will.

***

Ich warte und warte, und irgendwann muß sie zurück nach Roswell, weil sie eine „Ausgangssperre“ hat. Ich denke, sie mag das. Ich denke, sie mag die Kontrolle und Verbote der Eltern, ich denke sie mag es, nach Hause zu kommen und zu sehen, daß ihre Mutter noch wach und ein bißchen besorgt ist – weil sie jeden Abend ausgeht und nie sagt, warum. Ich denke, daß Isabel nie mit einem Schlag auf Kopf von ihren „Eltern“ geweckt wurde, und nie wurde ihr Wert in Form eines monatlichen Schecks über $532.68, unterschrieben vom großzügigen Staat New Mexico, ausgedrückt, und ich bin froh, daß sie das nicht erlebt hat.

Sie geht raus und ich folge ihr. Sie dreht sich um, während sie über den Parkplatz geht.

Sie sieht mich jetzt an, und ihr Blick ist vorsichtig. „Du folgst mir.“

Ich denke, sie hat immer gewußt, daß ich da bin. Bloß heute hat sie sich dazu entschieden, es zu sehen. „Ja.“

„Warum?“

„Ich wollte sehen, was du lieber wolltest als mich.“

Ihr Gesicht erblaßt. Die Lichter des Parkplatzes fangen ein, wie ihre Haut weiß wird, sie fangen die Änderung in ihrer Mimik ein. Schuld? Angst? Verlangen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht einmal, wie ich jetzt meine eigenen Gefühle nennen soll.

„Michael...“

Gewöhnlich breche ich an dieser Stelle, ich halte hier jedesmal ein. Sie würde meinen Namen mit trauriger Stimme rufen, wenn ich sie zwingen würde mir zu sagen, daß sie genauso gerne nach Hause zurückkehren will wie ich, und ich werde sie mit der Erklärung gehen lassen, daß sie mich glücklich sehen will, daß sie mir wünscht, ich möge alle Antworten finden, die ich brauche.

Ich bin der Einzige, der sie je unschlüssig gesehen hat, und ich weiß, wieviel es ihr gekostet hat. Ich weiß, wie hart sie sich bemüht, immer kühl und ruhig zu erscheinen. Aber jetzt sind die Einsätze höher, und ich werde nicht kneifen. Ich will – und das ist stärker als mein Bedürfnis, sie in ihrem eingebildeten Leben hier in dieser Welt glücklich und sicher zu sehen.

Ich gehe zu ihr und reiche ihr meine Hand. Ich berühre ihr Gesicht. Sie weinte meinetwegen. Sie weinte, weil wir getrennt wurden, sie weinte, weil sie Angst um mich hatte. Ist das gut oder schlecht? Ihre zitternden Augenlider schließen sich, und sie lehnt sich an meine Hand. Ihre Wange ist weich in meiner Handfläche. Ich weiß, daß wir einander in der Vergangenheit geliebt haben. Die Träume haben es mir erzählt, und diese vergangene Liebe erschreckte mich, weil ich so glücklich war – und ich habe nie an Glück geglaubt.

Aber ich habe es akzeptiert. Ich wußte immer, daß ich sie liebe, ich wußte immer, daß sie für mein eigenes Glück von Bedeutung ist. Ich habe mit der Wahrheit nichts am Hut, aber ich hätte nie gedacht, daß ich eines Tages imstande sein würde, die Wahrheit früher zu erkennen als sie. Ich dachte immer, sie wäre furchtlos, aber sie ist es nicht.

Sie hat Angst vor sich selbst, und das zeigt sich daran, daß sie sich aufrichtet und von mir wegrückt. „Ich liebe mein Leben“, sagt sie, und ich lächle, weil ich das schon gehört habe.

Ich liebe mein Leben hier auch manchmal, aber es ist nicht genug für mich. Ich will mehr. Ich brenne darauf. Ich will sie, und ich will mehr. Ich will meine Vergangenheit und meine Zukunft zusammenbringen, um mich zu vervollständigen. Ich will morgens aufwachen und wissen, warum ich hier bin. Ich will mich selbst verstehen.

Ich küsse sie schnell: Ich fasse ihre Arme und ziehe sie an mich, ich presse meinen Mund auf ihren. Es ist ein Schock, ein Schock der alle meine Nerven angreift und sie bloßlegt. Ich sehe alles – Vergangenheit, Bilder von mir selbst, Bilder von ihr, ihre Gefühle, meine Gefühle – und das Wunderbarste daran ist – sie schmeckt wie Zuhause, sie schmeckt wie Antworten, sie schmeckt wie meine Träume.

Ich knutsche mit Maria – aber mein Körper kennt Isabel. Ich ziehe sie näher, und alles paßt zusammen, und alle Bilder konzentrieren sich auf ein Gefühl, ein brennendes Verlangen, und ich kann sein Pulsieren in mir schreien hören. Es hallt in ihr wider, und wenn sie mich lassen würde, würde ich für immer ihr gehören und die Welt für sie retten.

Sie zieht sich von mir zurück. Ich sage nichts und bewege mich nicht, weil sie beinahe weint, und ich kann mit Isabels Tränen nicht umgehen. Ich verstehe es, wenn jemand anderer weint, aber ich will sie nicht weinen sehen. Sie weinte schon früher, weinte meinetwegen, und etwas in mir schrumpft zusammen. Es macht mir Angst, daß ich sie zum Weinen brachte, und es erfreute mich. Ich fürchte mich davor, daß ich sie nie so stark lieben werde, wie ich es sollte.

Ihre Augen flehen mich an. „Tu's nicht" sagt sie, „Michael, siehst du nicht... daß sich alles ändern wird. Ich bin nicht bereit dafür. Tut mir leid.“

Ich nicke, weil ich nicht sprechen kann. Ich wußte, daß sie es sagen würde, nicht wahr? Klar wußte ich das. Habe ich es nicht deshalb getan? Weil ich wußte, daß sich nichts ändern würde?

Sie schaut mich eine Weile an und dreht sich dann weg, wühlt nach ihren Autoschlüsseln. Als sie in den Jeep einsteigt und losfährt rücke ich endlich mit der Antwort auf die Frage, die mich ewig verfolgt hat, raus. Es wird sie nicht verletzen, wenn ich es jetzt sage.

„Ich liebe dich.“ Ich bin hier, weil ich sie geliebt habe. Ich bin hier, weil ich sie noch immer liebe.

Nur die Stimmen der Nacht antworten – Grillen und Autos und Bewegungen und das Atmen der Menschen auf dem Parkplatz. Sie haben meine Antwort gehört und kümmern sich nicht darum. Ich weiß nicht, ob Isabel sich darum kümmern würde. Vielleicht ist sie menschlicher als ich.

Ich fahre nach Roswell zurück und halte kurz an der Straße, die zum Haus der Evans führt. Wenn ich daran glauben würde, woran Max und Liz glauben, woran Maria glauben will, dann würde ich zum Haus gehen und in Isabels Zimmer klettern und ihr sagen, was ich fühle. Aber ich glaube nicht an das, woran Max und Liz glauben. Ich glaube nicht an Seelenverwandschaft, weil ich weiß, das ist nur dann möglich, wenn beide es wollen.

Nach zwei Häuserblöcken halte ich an. Ich parke das Auto, steige aus und gehe, die Schlüssel klingen in meiner Hand bei jedem Schritt. Das Haus kommt in Sicht, und ich gehe zu ihrem Fenster, ich klopfe an.

Es öffnet sich und Maria steckt ihren Kopf heraus. Ich küsse sie, bevor sie etwas sagen kann, und sie lächelt mich an; ich kann die Kurve ihres Mundes unter meinen Lippen fühlen. Ich steige durch das Fenster. Die Schlüssel klimpern als ich in Menschlichkeit hineintaumle, als ich meine Bestimmung bis zum nächsten Tag aufschiebe. Sie fragt, was sie immer fragt, und ich antworte das Übliche. Sie ist warm und geborgen in meinen Armen, und sie wird nicht nach mehr Antworten verlangen, weil sie, wie ich denke, sie nicht hören will.

Später, als sie schläft, sehe ich mich in ihrem Zimmer um. Sie hat unechte Sterne an die Decke geklebt, die leuchten und mich vespotten. Näher werde ich den Sternen nie kommen. Ich weiß es, manchmal kann ich es sogar akzeptieren. Maria liegt neben mir, ihre Arme unter sich gezogen, ihr Fuß berührt mein Bein.

In der Früh wird sie mich aufwecken und rausschicken, noch bevor ihre Mutter aufsteht, und ich werde sie küssen und zurück in meine Wohnung gehen und darüber grübeln, warum sie mich nicht länger fragt, ob ich sie liebe. Ich kenne die Antwort, aber ich bin noch nicht bereit, dieser Antwort gegenüberzutreten, ich bin nocht nicht bereit, diese Antwort zu sehen.

Wenn Isabel nur wüßte, wieviel wir gemeinsam haben.

Ende